Gesetz zur Sozialen Teilhabe und zur Änderung des SGB IX (Stand: 4. Mai 2011)
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Summer Fröhlich
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Thema: Gesetz zur Sozialen Teilhabe und zur Änderung des SGB IX (Stand: 4. Mai 2011) So 8 Mai 2011 - 19:30
Gesetz zur Sozialen Teilhabe und zur Änderung des SGB IX und anderer Gesetze Forum behinderter Juristinnen und Juristen (FbJJ) (Stand: 4. Mai 2011) FbJJ Gesetz zur Sozialen Teilhabe 2 Forum behinderter Juristinnen und Juristen (FbJJ) Der Gesetzentwurf wurde von folgenden Mitgliedern des Forums behinderter Juris-tinnen und Juristen (FbJJ) erarbeitet: Horst Frehe, Richter am Sozialgericht a.D., Bremen Andreas Fritsch, Rechtsanwalt, Köln Dr. Gunther Jürgens, Richter am Hessischen Verwaltungsgerichtshof, Kassel Sigrid Lübbers, Verwaltungsjuristin bei der Deutschen Rentenversicherung Braun-schweig/Hannover Christiane Möller, Rechtsassessorin in der Rechtsberatungsgesellschaft RBM – Rechte behinderter Menschen, Marburg Janne Müller, Juristin, Bremen Nancy Poser, Richterin am Amtsgericht, Trier Carl-Wilhelm Rößler, Rechtsanwalt und Berater am ZSL, Köln Matthias Weinert, Richter am Landgericht i.R., Bremen Das Forum behinderter Juristinnen und Juristen (FbJJ) ist ein partei- und ver-bandsübergreifender Zusammenschluss von Juristinnen und Juristen aus der Praxis, die als Richterinnen und Richter, als Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte, Verwal-tungs- oder Verbandsjuristinnen und -juristen arbeiten oder gearbeitet haben und selbst behindert sind. Die ehrenamtliche Mitarbeit in diesem Zusammenschluss dient der Erarbeitung von Vorschlägen zur Unterstützung der Behindertenverbände, Be-hinderteninitiativen und Behindertenselbsthilfegruppen. Bereits im Jahr 2000 hat das FbJJ eigene Gesetzentwürfe vorgelegt, die später im Behindertengleichstellungsge-setz (BGG, 2002) oder im Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG, 2006) in Teilen umgesetzt wurden. Für die organisatorische Unterstützung danken wir Dr. Sigrid Arnade und H.- Gün-ter Heiden von der Interessenvertretung Selbstbestimmt Leben Deutschland e.V. (ISL) Horst Frehe, Sprecher des Forums behinderter Juristinnen und Juristen Impressum: (s. letzte Umschlagseite)
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Summer Fröhlich
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Thema: Re: Gesetz zur Sozialen Teilhabe und zur Änderung des SGB IX (Stand: 4. Mai 2011) So 8 Mai 2011 - 19:32
FbJJ Gesetz zur Sozialen Teilhabe 3 Gesetz zur Sozialen Teilhabe und zur Änderung des SGB IX und anderer Gesetze Das Forum behinderter Juristinnen und Juristen legt mit diesem Gesetzentwurf einen Vorschlag zur Neuregelung des Rechts auf ‚Soziale Teilhabe‘ vor, das bisher über-wiegend im Siebten Kapitel des ersten Teils des Neunten Buches Sozialgesetzbuch (SGB IX) als „Leistungen zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft“ und teilweise im Sechsten Kapitel des Zwölften Buches (SGB XII) als „Eingliederungshilfe für be-hinderte Menschen“ mit der dazu gehörenden Eingliederungshilfe-Verordnung gere-gelt ist. Mit diesem Vorschlag soll die Diskussion über die Neugestaltung der Einglie-derungshilfe, die von der Arbeits- und Sozialministerkonferenz (ASMK) nur sehr ver-kürzt und vor allem unter fiskalischen Aspekten geführt wird, um ein umfassendes Konzept erweitert werden. Dieses Konzept erhebt den Anspruch, einerseits das Übereinkommen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen der Vereinten Nationen – UN-Behindertenrechtskonvention (BRK) – für den Bereich sozialer Teil-habe umzusetzen und andererseits den Vorschriften über medizinische Rehabilitati-on, der Teilhabe am Arbeitsleben und den unterhaltssichernden und ergänzenden Leistungen ein gleichrangiges Kapitel über die ‚Soziale Teilhabe‘ an die Seite zu stel-len. Ziel unseres Vorschlages ist es, das Menschenrecht auf ‚Soziale Teilhabe‘ aus der BRK im Sozialrecht und vorrangig im SGB IX zu verankern. Dabei sollen die Anforde-rungen aus Art. 19 BRK umgesetzt werden, der vorschreibt, dass Menschen mit Be-hinderungen 1. die gleichen Möglichkeiten haben sollen wie andere Menschen, in der Gemeinschaft zu leben, 2. das Recht haben, in die Gemeinschaft voll einbezogen zu werden und an ihr gleichberechtigt teilzuhaben, 3. das Recht haben, ihren Aufenthaltsort selbst bestimmen zu können und nicht verpflichtet zu werden, in besonderen Wohnformen zu leben, 4. den Zugang zu gemeindenahen Unterstützungsdiensten einschließlich der Persönlichen Assistenz haben sollen, der es ihnen ermöglicht, gleichberechtigt am Leben in der Gemeinschaft teilzuhaben, und nicht isoliert und ausgesondert zu werden und 5. den Zugang zu Dienstleistungen und Einrichtungen erhalten, die für die Allgemeinheit bestimmt sind und die auch ihre Anforderungen und Bedürfnisse zu berücksichtigen haben. Die BRK stellt eine Reihe von Gestaltungsgrundsätzen auf, die bisher im deutschen Sozialrecht nur rudimentär verankert sind bzw. die im SGB IX verfügt, aber in den Leistungsgesetzen konterkariert werden: 1. Das Recht auf Selbstbestimmung 2. Das Recht auf gleichberechtigte Teilhabe 3. Das Prinzip der Inklusion 4. Ein uneingeschränktes Wahlrecht 5. Das Diskriminierungsverbot
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Thema: Re: Gesetz zur Sozialen Teilhabe und zur Änderung des SGB IX (Stand: 4. Mai 2011) So 8 Mai 2011 - 19:35
Gesetz zur Sozialen Teilhabe 4 Das Recht auf Selbstbestimmung wird zwar als Grundsatz in § 1 SGB IX prokla-miert, aber z.B. durch § 13 Abs. 1 SGB XII dadurch eingeschränkt, dass behinderte Menschen die vorrangigen ambulanten Leistungen nur dann erhalten, wenn diese nicht zu unverhältnismäßigen Mehrkosten führen und eine stationäre Versorgung zumutbar und geeignet ist. Diese Einschränkung dürfte mit Art. 19 der BRK unver-einbar sein, so dass die weitere Anwendbarkeit dieser Vorschrift in Frage steht. Aber auch andere Einschränkungen der Selbstbestimmung, z.B. bei der Auswahl der ge-eigneten medizinischen Rehabilitationseinrichtung durch den Rehabilitationsträger, bei der Auswahl des zur Unterstützung eingesetzten Personals durch die Leistungs-erbringer, die Beschränkung der berufsfördernden Leistungen für voll Erwerbsgemin-derte auf die Werkstatt für behinderte Menschen, die Deckelung des Persönlichen Budgets und die strategische Verhinderung seiner Inanspruchnahme durch die Ver-waltung, führt dazu, dass die Selbstbestimmung behinderter Menschen in der Praxis nur sehr schwer umgesetzt werden kann. Auch das Recht auf eine gleichberechtigte Teilhabe wird zwar in § 1 SGB IX pro-minent verfügt. Allerdings wird dieses auf das Armutsniveau beschränkt, in dem für viele Leistungen der Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft auf das Fürsorgerecht mit seinen Einkommens- und Vermögensanrechnungsvorschriften verwiesen wird. Es liegt auf der Hand, dass hierin eine Verletzung des Art. 28 Abs. 2 BRK liegen könnte, denn das Recht von Menschen mit Behinderungen auf sozialen Schutz und den Genuss dieses Rechts kann nicht ohne Diskriminierung auf Grundlage einer Be-hinderung nur nach Anrechnung von Einkommen und Vermögen in Anspruch ge-nommen werden. Man kann in der Zuordnung der Ansprüche, die eine gleichberech-tigte Teilhabe erst ermöglichen, zu einkommens- und vermögensabhängigen Leis-tungen als ‘Recht der Sozialen Hilfe‘ zumindest eine mittelbare Diskriminierung we-gen der Behinderung sehen. Stattdessen sollten die Leistungen dem ‚Recht der So-zialen Förderung‘ zugeordnet werden, das dem Gleichstellungsgedanken verpflichtet ist und deshalb weitgehend auf Einkommens- und Vermögensanrechnungsvorschrif-ten verzichtet . Noch weniger ist das Prinzip der Inklusion bisher im Behindertenrecht umgesetzt. Medizinische und berufliche Rehabilitationseinrichtungen sind in der Regel Spezial-einrichtungen für behinderte Menschen und gliedern zunächst einmal behinderte Menschen aus ihren bisherigen sozialen Bezügen aus. Das mag für einen begrenz-ten und überschaubaren Zeitraum noch vertretbar sein. Der quasi dauerhafte Aus-schluss behinderter Menschen aus dem allgemeinen Arbeitsmarkt durch Werkstätten für behinderte Menschen lässt sich so nicht rechtfertigen. Art. 26 BRK spricht aus gutem Grund nur von umfassenden Habilitations- und Rehabilitationsdiensten und -programmen und nicht von entsprechenden ‚Einrichtungen‘. Die Dominanz von stati-onären Einrichtungen zur medizinischen und beruflichen Rehabilitation verletzt mit Sicherheit ebenso die BRK wie die vorrangige Versorgung behinderter Menschen in stationären Wohneinrichtungen. Mehr als 80 % der Ausgaben der Eingliederungshilfe für behinderte Menschen fließen in stationäre oder teilstationäre Einrichtungen wie Wohnheime und Werkstätten für behinderte Menschen. Art. 27 BRK sieht ein glei-ches Recht auf Arbeit und den Zugang zum allgemeinen Arbeitsmarkt vor, und nicht die Verweisung auf die Werkstatt für behinderte Menschen als besonderen Arbeits-markt mit nur ‚arbeitnehmerähnlichen‘ Rechten. Auch wenn der hier vorgelegte Ge-setzentwurf – mit Ausnahme der Vorschriften zum ‚Budget für Arbeit‘ und der schuli-schen Aus- und Weiterbildung – sich vor allem der ‚Sozialen Teilhabe‘ widmet, setzt eine Gesamtkonzeption eine fundamentale Veränderung des bisherigen Rehabilitati- FbJJ Gesetz zur Sozialen Teilhabe 5 onsgeschehens voraus. Wie bereits im SGB IX angelegt, muss das Konzept der ‚Re-habilitation‘ dem der ‚Teilhabe‘ weichen. Daher muss das Prinzip der Rehabilitati-on: ‚durch ausgegliederte Förderung über zusätzliche Fertigkeiten einzugliedern‘, ersetzt werden durch das Prinzip der Teilhabe: ‚mit inklusiver Unterstützung Aus-gliederung zu vermeiden und Teilhabe zu ermöglichen‘. Das Wunsch- und Wahlrecht nach § 9 SGB IX sieht eigentlich vor, dass den be-rechtigten Wünschen von Leistungsberechtigten entsprochen wird. Damit wird ver-fügt, dass alle sinnvollen Gestaltungswünsche für erforderliche Bedarfe von den Re-habilitationsträgern unabhängig von den Kosten zu berücksichtigen sind. Allerdings wird diese Verpflichtung durch § 7 SGB IX wieder eingeschränkt, der abweichende Regelungen in den Leistungsgesetzen zulässt. Für die Leistungen der Eingliede-rungshilfe für behinderte Menschen, die bisher die Soziale Teilhabe ermöglichen sollen, gilt dann die abweichende Regelung des § 9 Abs. 2 SGB XII, der nur die an-gemessenen Wünsche berücksichtigen soll. Damit wird das Wahlrecht unter Kos-tenvorbehalt gestellt. Auch die anschließende Regelung, stationäre oder teilstationä-re Hilfeformen nur vorzusehen, wenn der Hilfebedarf anders nicht gedeckt werden kann, wird durch den Kostenvorbehalt in § 13 Abs. 1 SGB XII wieder aufgehoben. Dies verursacht in der Praxis regelmäßig Konflikte über die Frage Heim- oder häusli-che Versorgung, wenn der Sozialhilfeträger nur die kostengünstigere Heimunterbrin-gung bewilligt und behinderte Menschen gegen ihren Willen in Sondereinrichtungen oder Altenheimen untergebracht werden. Diese menschenrechtswidrige Praxis muss unterbunden werden - ausschließlich die berechtigten Wünsche sind ohne Kosten-vorbehalt zu berücksichtigen.
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Thema: Re: Gesetz zur Sozialen Teilhabe und zur Änderung des SGB IX (Stand: 4. Mai 2011) So 8 Mai 2011 - 19:37
Mit der Gleichstellungsgesetzgebung sind in das Sozialrecht aufgenommen worden ein Diskriminierungsverbot und die Verpflichtung, Benachteiligungen behinderter Menschen entgegenzuwirken (z.B. § 10 Abs. Nr. 5 SGB I, §§ 1, 36, 81 Abs. 2 SGB IX). Dennoch bleibt es zweifelhaft, ob die konkrete Ausgestaltung der Sozialleistun-gen den bestehenden Benachteiligungen ausreichend entgegenwirkt oder nicht so-gar neue erzeugt. Wenn die Elternschaft behinderter Erwachsener - mangels eines konkreten Anspruchs auf begleitete Elternschaft und Elternassistenz - nicht ausrei-chend unterstützt und damit die Unterbringung in einer Pflegefamilie oder Freigabe der eigenen Kinder zur Adoption erzwungen wird, liegt eine Menschenrechtsverlet-zung vor, die in Art. 23 Abs. 2 Satz 2 BRK konkretisiert wird. Aber auch die dürftige Ausgestaltung der sozialen Rechte zur Teilnahme am Leben der Gemeinschaft, die Begrenzung von Mobilitätshilfen auf berufliche Erfordernisse, die Zuweisung zu Son-derschulen oder die Einschränkung des Rechts auf Bildung auf erwerbsbezogene Ausbildung, beschränken und benachteiligen behinderte Menschen gegenüber nichtbehinderten Gleichaltrigen. Damit wird sowohl die gesetzliche Verpflichtung, Nachteile auszugleichen oder ihnen entgegen zu wirken, verletzt als auch gegen die menschenrechtlichen Verpflichtungen im Rahmen des Diskriminierungsverbotes aus Art. 5 BRK in Verbindung mit Art. 19, 20 und 24 BRK verstoßen. Schwerpunkte der Neuregelungen sind: 1. Behinderungsbegriff 2. Beeinträchtigungsdefinition 3. Barrierefreiheitsbegriff und Verpflichtung der Rehabilitationsträger 4. Inklusionsdefinition und Verpflichtung der Rehabilitationsträger 5. Stärkung des Wunsch- und Wahlrechtes
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Thema: Re: Gesetz zur Sozialen Teilhabe und zur Änderung des SGB IX (Stand: 4. Mai 2011) So 8 Mai 2011 - 19:40
FbJJ Gesetz zur Sozialen Teilhabe 6 6. Anspruch auf Erläuterung in ‚Leichter Sprache‘ für Menschen mit Lernschwierigkeiten 7. Zuständigkeit der Jugendämter für die Soziale Teilhabe aller behinderter Kinder und Jugendlicher, sowie teilweise auch für junge Erwachsene 8. Zuständigkeit der Integrationsämter für die Soziale Teilhabe Erwachsener 9. Förderung einer vom Leistungsträger und vom Leistungserbringer unabhängigen Beratung 10. Einheitliche Begutachtung 11. Neuregelung des Persönlichen Budgets 12. Einführung der Persönlichen Assistenz als neue Form der Leistungserbringung für die Persönliche Unterstützung 13. Einführung des Budget für Arbeit als neue Form der Leistungserbringung bei der Teilhabe im Arbeitsleben 14. Zuordnung der schulischen Aus- und Weiterbildung zur Leistung der Teilhabe am Arbeitsleben und zu den Leistungen zur Sozialen Teilhabe 15. Bundesfinanzierung der Ansprüche auf Soziale Teilhabe 16. Völlige Neugestaltung dieser Ansprüche auf Soziale Teilhabe insbesondere in der Form der Persönliche Unterstützung zur Sozialen Teilhabe und des Teilhabegeldes zum Ausgleich behinderungsbedingter Nachteile und Mehraufwendungen sowie der Hilfen zur selbstbestimmten Ausübung der Elternschaft und Elternunterstützung Damit schlagen wir mit diesem Gesetzentwurf ein Leistungsrecht vor, das dem der anderen Bereiche, nämlich der medizinische Rehabilitation und der Teilhabe am Ar-beitsleben, gleichwertig ist. Im Wesentlichen geht es um die diskriminierungsfreie Neuformulierung der Ansprüche und nicht primär um eine Ausweitung des Leis-tungsgeschehens. Die moderate Ausweitung der Leistungsansprüche wird teilweise dadurch kompensiert, dass eine zielgenauere Leistungserbringung Kosten spart. Statt primär die Angebotsträger zufrieden zu stellen, rücken die Bedarfe der Leis-tungsberechtigten stärker in den Vordergrund. Damit kann eine zielgenauere Be-darfsdeckung erreicht und die Aufgabe teurer stationärer Fehlversorgung ermöglicht werden. Durch die konsequente Förderung selbstbestimmter Leistungsformen kön-nen bei Steigerung der Qualität gleichzeitig Aufwendungen vermieden werden. Der finanziellen Entlastung der Bundesländer und Kommunen und der entsprechenden Belastung des Bundes bei den Leistungen zur Sozialen Teilhabe der Erwachsenen steht eine Belastung der Jugendhilfe, und damit der Länder und Kommunen, durch die Kostenzuständigkeit für alle Kinder und Jugendlichen – und nicht nur für ‚seelisch behinderte Kinder und Jugendliche‘ – sowie für einen Teil der jungen Erwachsenen gegenüber. Gleichzeitig wird das Teilhabegeld durch den Wegfall pauschaler Freibe-träge nach dem Grad der Behinderung zur Ermäßigung der Einkommenssteuer für außergewöhnliche Belastungen gegenfinanziert. Der Entwurf geht von einem dynamischen Behinderungsbegriff aus, der die Verän-derungen des Alltags in der Gesellschaft und der Anschauungen von Behinderungen ebenso einbezieht, wie das gewandelte Rollenverständnis behinderter Menschen. Mit dem vorgestellten Behinderungsbegriff soll das Verständnis von Behinderung in der BRK als Wechselverhältnis von individueller Beeinträchtigung und gesellschaftli-chen Barrieren ebenso einbezogen werden wie die Unterscheidungen der ‚Internati-onalen Klassifikation von Funktionseinschränkung, Behinderung und Gesundheit‘ (ICF) der Weltgesundheitsorganisation (WHO) in Schädigung, Aktivitätseinschrän-kung und Teilhabebeeinträchtigung sowie Kontextfaktoren. Dazu sind ein gestufter
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Thema: Re: Gesetz zur Sozialen Teilhabe und zur Änderung des SGB IX (Stand: 4. Mai 2011) So 8 Mai 2011 - 19:45
Gesetz zur Sozialen Teilhabe 7 Behinderungsbegriff und eine Unterscheidung zwischen Beeinträchtigung und Be-hinderung notwendig, die im deutschen Behindertenrecht bisher nicht üblich ist. Mal wird bisher Behinderung mit einer Schädigung, mal mit einer Funktionsbeeinträchti-gung und mal mit der Teilhabeeinschränkung gleichgesetzt. Dieses zu trennen, er-laubt erst den richtigen Unterstützungsansatz zu wählen: Soll durch einen medizini-schen Eingriff eine Schädigung beseitigt werden? Ist ein geeignetes Hilfsmittel oder Persönliche Assistenz zur Verfügung zu stellen, um einen Funktionsverlust zu kom-pensieren? Oder sind Barrieren abzubauen, Vorurteile zu beseitigen oder Strukturen zu verändern, um behinderten Menschen eine gleichberechtigte Teilhabe zu ermögli-chen? Behinderung ist nach unserer Definition die Teilhabeeinschränkung, die aus dem Wechselverhältnis von funktionellen Beeinträchtigungen und gesellschaftlichen Barrieren resultiert. Damit unterscheiden wir nach den drei verschiedenen Ebenen der ICF (Schädigung, Aktivitätseinschränkung und Teilhabebeeinträchtigung) und setzen so den Behinderungsbegriff der BRK um. Daher definieren wir das, was bisher nach § 69 SGB IX als Behinderung festgestellt wurde, als Beeinträchtigung. Sie spiegelt die ‚Aktivitätseinschränkung‘ als Wechsel-verhältnis zwischen der individuellen körperlichen, seelischen und geistigen Ver-fasstheit und den gesellschaftlichen Anforderungen und Kontextfaktoren wieder. Sie ist quasi die technisch betrachtete Funktionseinschränkung in einer durchschnittli-chen Umgebung und Anforderungsstruktur. Daher kann es vorerst grundsätzlich bei dem bisherigen Feststellungsverfahren bleiben. Ob aber eine Einstufung der Beein-trächtigung nach Zehnergraden sinnvoll ist, erscheint eher zweifelhaft. Um keine Frik-tionen im Behindertenrecht zu erzeugen, soll in einem Übergangszeitraum an dem Feststellungsverfahren nach den Grundsätzen der Verordnung zu § 30 Abs. 17 BVG festgehalten werden. Eine fünfstufige Unterscheidung in eine geringfügige Beeinträchtigung mit einem Grad der Beeinträchtigung von un-ter 30, eine erhebliche Beeinträchtigung mit einem Grad der Beeinträchtigung von 30 bis unter 50, eine schwere Beeinträchtigung mit einem Grad der Beeinträchtigung von 50 bis unter 80, eine besonders schwere Beeinträchtigung mit einem Grad der Beeinträchtigung von 80 bis unter 100 und eine schwerste Beeinträchtigung mit einem Grad der Beeinträchtigung von 100 soll statt der jetzigen Zuordnung künftig die Zehnerstufung ablösen. Wegen der Gestaltungsverpflichtung aus Art. 9 BRK, umfassend Barrierefreiheit herzustellen, haben wir auch eine solche Verpflichtung der Rehabilitationsträger in das SGB IX mit aufgenommen. Dabei geht es nicht nur um Sozialleistungen für die Förderung der Anpassung des Wohnraumes und Wohnumfeldes an die Anforderun-gen behinderter Menschen, sondern auch um die Beseitigung physischer, informati-oneller und kommunikativer Barrieren sowie von Vorurteilen oder Fehleinstellungen, die behinderte Menschen in ihrer sozialen Teilhabe einschränken. Daher haben wir eine an der BRK orientierte Definition in § 2 Abs. 3 SGB IX aufgenommen und die Leistungsträger in § 4 SGB IX in einem neuen Absatz (1a) zu entsprechenden Maß-nahmen verpflichtet.
Summer Fröhlich
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Thema: Re: Gesetz zur Sozialen Teilhabe und zur Änderung des SGB IX (Stand: 4. Mai 2011) So 8 Mai 2011 - 19:48
Mit einer Verpflichtung der Rehabilitationsträger zur inklusiven Ausgestaltung aller von ihnen verfügten Maßnahmen in § 3 Satz 3 SGB IX wird zugleich eine Legaldefinition der Inklusion geleistet. In § 4 SGB IX wird sowohl die Zielbestim- FbJJ Gesetz zur Sozialen Teilhabe 8 mung einer inklusiven Teilhabe an der Gesellschaft als auch die Ausgestaltung der Förderung behinderter Kinder als inklusiv verfügt. In § 19 Abs. 3 SGB IX wird die Verpflichtung zur inklusiven Leistungserbringung für behinderte Kinder und Jugend-liche ebenso wie im Kinder- und Jugendhilferecht (§§ 11 Abs. 1, 22a Abs. 4, 35a Abs. 3 SGB VIII) verankert. Das Wunsch- Wahlrecht in § 9 SGB IX wird durch die Streichung des Verweises auf § 33 SGB I, der das Wahlrecht in Satz 2 auf die angemessenen Wünsche be-schränkt, erweitert. Maßgebend sollen die berechtigten Wünsche sein, auf die § 9 Abs. 1 Satz 1 SGB IX abhebt. Deshalb wurde auch § 7 SGB IX in so weit abgeän-dert, dass nun nicht mehr restriktivere Regelungen in den Leistungsgesetzen diejeni-gen im SGB IX verdrängen können, sondern nur noch günstigere Gestaltungen zu berücksichtigen sind. Damit kommt auch für die Leistungen der Sozialen Teilhabe, die noch als Eingliederungshilfe vom Sozialhilfeträger zu erbringen sind (z.B. für Asylbewerberinnen und -bewerber), § 9 SGB XII nicht mehr zum Tragen, der ledig-lich auf die angemessenen Wünsche abstellt. Sowohl bei der Ausführung der sozialen Leistung, als auch im Sozialverwaltungsver-fahren (§ 17 Abs. 2a SGB I, § 19 Abs. 1a SGB X) sollen Menschen mit Lernschwie-rigkeiten einen Anspruch auf Übertragung und/oder Erläuterung wichtiger Inhalte in leichte Sprache haben. Auch wichtige Dokumente und Bescheide müssen ihnen in einer für sie verständlichen Form zugänglich gemacht werden. Die Kosten hierfür trägt der Sozialleistungsträger. Leistungen für behinderte Kinder und Jugendliche werden – so wie jetzt schon für nichtbehinderte – ausschließlich vom Jugendamt erbracht bzw. koordiniert. Die jetzt noch geltende Beschränkung der Zuständigkeit auf ‚seelisch‘ behinderte Kinder und Jugendliche erscheint nicht sachgerecht und führt zu schwierigen Schnittstellen. Im Sinne einer inklusiven Erziehung sollen alle Leistungen für behinderte Kinder und Jugendliche in die anderen Leistungen der Kinder- und Jugendhilfe integriert werden und zusammen mit ihnen erbracht werden. Damit verringert sich die Anzahl der Fälle, in denen Leistungen durch unterschiedliche Kostenträger erbracht werden; notwen-dig ist dann nur noch ein einmaliger Wechsel in der Kostenträgerschaft beim Über-gang zum Erwachsenenalter. Inhalt und Ausgestaltung der Leistungen sind über den Verweis in § 35a SGB VIII in den Vorschriften zur Sozialen Teilhabe im SGB IX ge-regelt. Allerdings werden die begleitete Elternschaft und die Elternunterstützung dem Integrationsamt zugeordnet, weil diese Leistungsansprüche den Eltern zustehen. Damit wird Befürchtungen entgegengetreten, die Jugendämter könnten aus Kosten-gründen Kinder in Obhut nehmen und in Pflegefamilien unterbringen, obwohl das Kindeswohl eine solche Entscheidung nicht rechtfertigt. Die ‚Soziale Teilhabe‘ soll nach § 57 SGB IX (neu) für erwachsene behinderte Men-schen vom Integrationsamt als neuen Rehabilitationsträger erbracht werden. Dieser Wechsel von der Zuständigkeit der örtlichen und überörtlichen Sozialhilfeträger zum Integrationsamt soll eine neue Verwaltungskultur ermöglichen, die mit dem alten Für-sorgedenken für diesen Leistungsbereich bricht. Die Kosten trägt der Bund (§ 58 SGB IX neu), der die Integrationsämter entsprechend auszustatten hat. Damit wird eine einheitliche Leistungsbewilligung unabhängig von der jeweiligen finanziellen La-ge des Bundeslandes oder der Kommune sichergestellt.
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Thema: Re: Gesetz zur Sozialen Teilhabe und zur Änderung des SGB IX (Stand: 4. Mai 2011) So 8 Mai 2011 - 19:53
Gesetz zur Sozialen Teilhabe 9 Die Förderung einer möglichst von Betroffenen geleisteten und von Leistungsträgern und Leistungserbringern unabhängigen Beratung wird in § 14 Satz 3 SGB I und § 9 Abs. 3 Satz 2 SGB IX verfügt. Für die Förderung sollen die Rehabilitationsträger Gemeinsame Empfehlungen verfassen (§ 13 Abs. 2 SGB IX). Dafür entfallen sämtli-che Vorschriften über die ‚Gemeinsamen Servicestellen‘ (§ 22 bis 25 SGB IX). Die Gemeinsamen Servicestellen der Rehabilitationsträger haben sich als unnötige und ineffiziente, teils wenig kompetente Doppelung ihrer eigenen Beratungsangebote herausgestellt, die von den Ratsuchenden auch kaum genutzt werden. Viel wichtiger ist eine Beratungsstruktur, die nicht vorwiegend den Interessen der Rehabilitations-träger und der Leistungserbringer verpflichtet ist. Bei dieser Beratung soll möglichst das ‚Peer-Prinzip‘, also die Beratung durch ausgebildete Betroffene mit einem ver-gleichbaren Erfahrungshintergrund stärker gefördert werden. So ließe sich die Bera-tungsqualität auch mit wesentlich weniger Ressourcen erheblich steigern. § 14 Abs. 5a SGB IX (neu) sieht eine gemeinsame trägerübergreifende Begutach-tung mit einem einheitlichen gemeinsamen Votum der begutachtenden Stellen vor. Sind verschiedene Gutachten erforderlich und mehrere Leistungsträger betroffen, hat der vorrangig zuständige Leistungsträger diese zu einer Gesamtbeurteilung zusam-menzuführen und einen trägerübergreifenden Bescheid über die Komplexleistung zu erlassen. Dadurch soll vermieden werden, dass z.B. bei einem umfassenden Hilfe-bedarf der Medizinische Dienst der Krankenversicherung zunächst die Behandlungs-pflege beurteilt, dann im Auftrag der Pflegeversicherung von Pflegefachkräften über die Pflegestufe entschieden wird, das Gesundheitsamt die notwendigen zusätzlichen Pflegeleistungen durch den Sozialhilfeträger beurteilt und dessen Sozialdienst da-nach die ergänzende Eingliederungshilfe bestimmt. Insbesondere in der Form der Persönlichen Assistenz sollen möglichst alle Unterstützungsleistungen integriert er-bracht werden, so dass das Selbstbestimmungsrecht der Leistungsberechtigten ge-wahrt bleibt. Die Vorschriften über das Persönliche Budget (§ 17 a SGB IX neu) wurden weitge-hend übernommen. Es entfällt die Lösung über Gutscheine, weil entsprechende Än-derungen in den Vorschriften zur Pflegeversicherung im SGB XI vorgenommen wur-den. Eine Deckelung durch die bisherigen Leistungen (§ 17 Abs. 3 Satz 4 SGB IX alt) erscheint nicht sachgerecht, da sich zwischen den vorher ermittelten Bedarfen und den nun beantragten Budgetleistungen Veränderungen ergeben können. Darüber hinaus soll auch eine Bewilligung höherer Leistungen, die sich aus der Form der Leistung ergibt, nicht ausgeschlossen werden. Die Erfahrung hat gezeigt, dass in fast allen Fällen eine für den Kostenträger günstigere Lösung durch das Persönliche Budget ermöglicht wurde. Daher kann im Ausnahmefall auch eine höhere Leistung berechtigt sein. Das Wahlrecht sollte daher nicht eingeschränkt werden. Völlig neu ist der Gedanke, dass die Persönliche Unterstützung auch in der Form der Persönlichen Assistenz (§ 17b SGB IX neu) erfolgen kann. Dazu muss zunächst eine Legaldefinition dieser Leistungsform erfolgen, um sie von anderen Formen von Unterstützungsleistungen abzugrenzen. Um von Persönlicher Assistenz zu sprechen, müssen die sechs dort angeführten Kompetenzen (Personalkompetenz, Organisati-onskompetenz, Anleitungskompetenz, Raumkompetenz, Finanzkompetenz, Differen-zierungskompetenz) den Nutzerinnen und Nutzern eine selbstbestimmte Leistungs-erbringung ermöglichen. Die Persönliche Assistenz betrifft nicht nur Leistungserbrin-gungen im Rahmen eines sog. Arbeitgeber-Modells. Auch genossenschaftliche oder andere selbstorganisierte Dienste können die Persönliche Unterstützung in dieserForm erbringen. Mit dieser Form der Leistungserbringung soll in besonderer Weise die Selbstbestimmung der Assistenznutzerinnen und -nutzer ermöglicht werden.
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Thema: Re: Gesetz zur Sozialen Teilhabe und zur Änderung des SGB IX (Stand: 4. Mai 2011) So 8 Mai 2011 - 19:58
FbJJ Gesetz zur Sozialen Teilhabe 10
Das Budget für Arbeit (§ 17c SGB IX neu) soll es behinderten Menschen – vorran-gig aus Werkstätten für behinderte Menschen ermöglichen, eine normale sozialver-sicherte Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zu einem tariflichen oder ortsüb-lichen Entgelt auszuüben.
Die berufsfördernden Leistungen, die sie in der Werkstatt für behinderte Menschen erhalten,
einschließlich der Grundsicherung für voll er-werbsgeminderte und alte Menschen nach dem SGB XII oder das Arbeitslosengeld II nach dem SGB II kann über einen Arbeitgeberzuschuss in die Finanzierung der Ent-lohnung und Unterstützung am Arbeitsplatz einfließen. Mit dieser Leistungsform können Menschen mit einer erheblichen Leistungseinschränkung eine Beschäftigung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt finden, ohne höhere Kosten zu verursachen. Die Länder Rheinland-Pfalz und Niedersachsen haben dieses Modell erfolgreich erprobt. Da unterschiedliche Auffassungen über die rechtliche Zulässigkeit dieser Modelle exis-tieren, soll diese Leistungsform nun eindeutig rechtlich geregelt werden.
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Thema: Re: Gesetz zur Sozialen Teilhabe und zur Änderung des SGB IX (Stand: 4. Mai 2011) So 8 Mai 2011 - 20:01
Das bisherige Rehabilitationsrecht geht immer noch von dem Ziel einer beruflichen Aus- und Weiterbildung zu einem Beruf aus, der aus dem Kanon der dualen Ausbil-dung ausgewählt wird. Dieses entspricht weder den heutigen Anforderungen der Ar-beitswelt an eine berufliche Qualifikation, noch wird es einer zukunftsorientierten be-ruflichen Eingliederung behinderter Menschen gerecht. An Fachschulen, Fachhoch-schulen und im Studium an einer Universität erworbene Abschlüsse spielen eine im-mer größere Bedeutung im Arbeitsleben. Es ist weder sachgerecht noch menschen-rechtskonform, Behinderte davon auszuschließen und sie auf nachrangige Förder-systeme oder stationäre berufliche Rehabilitationseinrichtungen der Stiftung Rehabili-tation zu verweisen. Schulische und im Studium erworbene Qualifikationen müs-sen daher in den Kanon der Ansprüche auf Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben aufgenommen werden (§ 33 SGB IX). Gleichzeitig sollte ein Anspruch auf den Er-werb dieser Qualifikationen für diejenigen eröffnet werden, die nicht mehr erwerbstä-tig sein können (§ 56f SGB IX neu), die aber damit eine sonstige Tätigkeit (z.B. im Rahmen von Gutachten, kleinere Lehrtätigkeiten, Computerarbeit) ausüben wollen, die ihnen zwar kein Einkommen in Höhe des Lebensunterhalts sichert, aber Einkünf-te im Rahmen einer geringfügigen Beschäftigungen ermöglicht.
Eine umfassende Persönliche Unterstützung insbesondere in der Form der Per-sönlichen Assistenz ist für viele behinderte Menschen die wesentliche Voraussetzung zur Sozialen Teilhabe. Ihr kommt in vielen Bereichen eine zentrale Funktion zu. Bis-her sind diese Ansprüche auf die verschiedenen Leistungsbereiche (z.B. Pflege, Krankenpflege, Eingliederungshilfe, Jugendhilfe, Arbeitsassistenz) verteilt, so dass es schwierig ist, diese zu einer alle notwendigen Leistungen umfassenden Persönli-chen Unterstützung zusammenzuführen. Daher soll das Jugendamt für Kinder und Jugendliche und das Integrationsamt für Erwachsene eine umfassende Leistungszu-ständigkeit hierfür erhalten, in die die verschiedenen vorrangigen Rechtsansprüche einfließen. Z.B. sollen die Leistungen der Pflegeversicherung betragsmäßig in die Finanzierung der Persönlichen Unterstützung einfließen. Diese soll aber einheitlich den gesamten Bedarf abdecken und über das Jugendamt bzw. Integrationsamt fi-nanziert und als Komplexleistung erbracht werden.
Dazu sind die wesentlichen Leis-tungsbereiche in § 56 SGB IX (neu) aufgeführt.
Summer Fröhlich
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Thema: Re: Gesetz zur Sozialen Teilhabe und zur Änderung des SGB IX (Stand: 4. Mai 2011) So 8 Mai 2011 - 20:08
Gesetz zur Sozialen Teilhabe 11 Das Teilhabegeld (§ 56a SGB IX neu) soll pauschal den behinderungsbedingten Mehraufwand abdecken, der nicht über spezielle Ansprüche geltend gemacht wer-den kann, sowie behinderungsbedingte Nachteile ausgleichen.
Es ersetzt die landes-rechtlichen Leistungen für blinde, sehbehinderte, hörbehinderte, gehörlose und pfle-gebedürftige Menschen, die in ihrer Ausgestaltung und unterschiedlichen Höhe nicht mehr heutigen Anforderungen entsprechen. Gleichzeitig soll das sog.
Restpflegegeld nach § 66 Abs. 2 SGB XII durch diese Leistungen ersetzt werden. Ebenso ist zur Gegenfinanzierung der Wegfall der Steuerermäßigung nach § 33b Abs. 1 bis 3 EStG vorgesehen: Die Steuerfreibeträge begünstigen vor allem behinderte Menschen mit höherem Einkommen und unterstützen nicht diejenigen, die wegen geringem Ar-beitseinkommen oder Sozialleistungen keine Einkommenssteuer zahlen.
Das Teilha-begeld gliedert sich in einen Grundbetrag und einen Zusatzbetrag. Der Grundbetrag richtet sich nach der Stufe der Beeinträchtigung. Er wird ergänzt durch einen Zusatz-betrag, der bestimmte behinderungsspezifische Aufwendungen für Menschen mit einer Sehschädigung oder Hörbeeinträchtigung, wegen Pflegebedürftigkeit oder we-gen der Mitarbeit in einer Werkstatt für behinderte Menschen sowie für Kommunikati-onsbedarfe bei Menschen mit Lernschwierigkeiten pauschal ausgleichen soll. Sind Ansprüche auf mehrere Zusatzbeträge gegeben, erfolgt eine Kürzung der weiteren Zahlbeträge um die Hälfte.
Die Leistung wird auf insgesamt 1000 € monatlich be-grenzt.
Summer Fröhlich
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Thema: Re: Gesetz zur Sozialen Teilhabe und zur Änderung des SGB IX (Stand: 4. Mai 2011) So 8 Mai 2011 - 20:15
Die Ansprüche auf Elternunterstützung und begleitete Elternschaft
(§§ 56l und 56m SGB IX neu) sollen das Recht von Eltern mit einer körperlichen, geistigen, psy-chischen oder Sinnesbeeinträchtigung auf Ausübung ihrer Elternschaft unterstützen oder erst ermöglichen.
Bisher reagiert das Jugendamt zu häufig auf das Vorliegen einer Beeinträchtigung, die die Erziehungsfähigkeit der Eltern einschränkt, mit der Herausnahme des Kindes aus der Familie.
Das Recht behinderter Eltern, eigene Kinder aufzuziehen und eine Familie zu gründen, wird dabei zu häufig mit der Be-gründung einer vermeintlichen Kindeswohlgefährdung eingeschränkt, und die Kinder werden in einer Pflegefamilie untergebracht oder zur Adoption freigegeben,
obwohl Elternsorge und Erziehungsfähigkeit mit einer angemessenen Unterstützung durch-aus hergestellt werden könnte. Dieser neu kodifizierte Anspruch soll dazu beitragen, einer weit verbreiteten menschenrechtswidrigen Praxis entgegenzuwirken.
Bei den zahlreichen Neuregelungen der Ansprüche auf Soziale Teilhabe wurden weitgehend die in der Eingliederungshilfe
für behinderte Menschen (§§ 53, 54 SGB XII) und der dazu gehörenden Eingliederungshilfeverordnung sowie die bisher in den Leistungen zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft (§§ 55 bis 59 SGB IX) nor-mierten Ansprüche zu Grunde gelegt.
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Thema: Re: Gesetz zur Sozialen Teilhabe und zur Änderung des SGB IX (Stand: 4. Mai 2011) So 8 Mai 2011 - 20:18
Gesetz zur Sozialen Teilhabe 12 Gesetz zur Sozialen Teilhabe und zur Änderung des SGB IX und anderer Gesetze Artikel 1 Änderung des Ersten Buchs Sozialgesetzbuch – Allgemeiner Teil – (SGB I)
1. § 10 erhält folgende Fassung: „Behinderte und von einer Behinderung bedrohte Menschen haben unabhängig von der Ursache der Beeinträchtigung zur Förderung ihrer Selbstbestimmung und gleich-berechtigten Teilhabe Anspruch auf Leistungen, die notwendig sind, um 1. die Beeinträchtigung abzuwenden, zu beseitigen, zu mindern, ihre Verschlimme-rung zu verhüten oder ihre Folgen zu mindern, 2. Einschränkungen der Erwerbsfähigkeit oder Pflegebedürftigkeit zu vermeiden, zu überwinden, zu mindern oder eine Verschlimmerung zu verhüten sowie den vorzeiti-gen Bezug von Sozialleistungen zu vermeiden oder laufende Sozialleistungen zu mindern, 3. ihnen einen ihren Neigungen und Fähigkeiten entsprechenden Platz im Arbeitsle-ben zu sichern, 4. ihre Entwicklung in einer inklusiven Erziehung und Bildung zu fördern, 5. ihre gleichberechtigte Soziale Teilhabe und eine möglichst selbständige und selbstbestimmte Lebensführung zu ermöglichen, zu erleichtern und zu erweitern so-wie 6. Benachteiligungen auf Grund der Behinderung entgegenzuwirken und Barrieren abzubauen.“ 2. § 11 erhält folgende Fassung: „§ 11 Leistungsarten und –formen Gegenstand der sozialen Rechte sind die in diesem Gesetzbuch vorgesehenen Dienst-, Sach-, Geld- und Beratungsleistungen. Die persönliche Unterstützung und erzieherische Hilfe gehört zu den Dienstleistungen. Die Leistungen können als Per-sönliches Budget, Persönliche Assistenz oder als Budget für Arbeit erbracht werden. 3. In § 14 wird folgender Satz 3 angefügt: „Zusätzlich fördern die Leistungsträger eine vom Leistungsträger und Leistungserb-ringer unabhängige Beratung der Selbsthilfe.“ 4. In § 17 wird folgender Absatz 2a eingefügt: „(2a) Menschen mit Lernschwierigkeiten haben einen Anspruch bei der Ausführung von Sozialleistungen, insbesondere bei ärztlichen oder psychologischen Untersu-chungen, therapeutischen Behandlungen und der Auskunft und Beratung nach die-sem Gesetz, den Inhalt und das Ziel der Maßnahmen sowie der Auskunft und Bera-tung in leichter Sprache erläutert oder übertragen zu erhalten. Sie können verlangen, dass der Inhalt der für eine Entscheidung wesentlichen Dokumente in leichte Spra-che übertragen wird. Satz 2 des zweiten Absatzes gilt entsprechend.“
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Thema: Re: Gesetz zur Sozialen Teilhabe und zur Änderung des SGB IX (Stand: 4. Mai 2011) So 8 Mai 2011 - 20:19
Gesetz zur Sozialen Teilhabe 13 5. In § 27 Abs. 1 Nr. 4 werden die Worte „Eingliederungshilfe für seelisch“ durch „Leistungen zur Sozialen Teilhabe für“ ersetzt. 6. Die Nr. 3. in § 29 Abs. 1 wird wie folgt gefasst: „3. Leistungen zur Sozialen Teilhabe, insbesondere a) Persönliche Unterstützung zur Sozialen Teilhabe, b) ein Teilhabegeld c) Versorgung mit Hilfsmitteln, d) heilpädagogische Leistungen für Kinder und Jugendliche, d) Hilfen zum Besuch von Kindertageseinrichtungen sowie von anderen Einrichtungen und Maßnahmen der Elementarbildung, e) Hilfen zu einer inklusiven Schulbildung und zum Besuch weiterfüh-render Schulen einschließlich der Vorbereitung hierzu, f) Hilfen zu einer den Neigungen und Fähigkeiten entsprechenden Fachschul-, Fachhochschul- und Hochschulbildung und für Angebote der allgemeinen Weiterbildung, g) Hilfen zur Alltagsbewältigung, zur Ausbildung und Ausübung für eine sonstige angemessene Tätigkeit sowie zur Ausübung eines Wahlamtes oder einer ehrenamtlichen Tätigkeit, h) Hilfen für eine barrierefreie oder an die Behinderung angepasste Wohnung, i) Hilfen zur Teilnahme an ehrenamtlichen, verbandlichen, gemein-schaftlichen, sportlichen und kulturellen Veranstaltungen, j) Hilfen zur Mobilität, k) Hilfen zur selbstbestimmten Ausübung der Elternschaft und Elternun-terstützung, l) nachgehende Hilfen zur Sicherung der Wirksamkeit der ärztlichen und ärztlich verordneten Leistungen und zur Sicherung der Teilhabe am Ar-beitsleben, m) Hilfen für eine vom Leistungsträger und Leistungserbringer unab-hängige Beratung, n) Hilfen zur Bewältigung von sonstigen Alltagsverrichtungen,“
Summer Fröhlich
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Thema: Re: Gesetz zur Sozialen Teilhabe und zur Änderung des SGB IX (Stand: 4. Mai 2011) So 8 Mai 2011 - 20:23
Artikel 2
Änderung des Zweiten Buchs Grundsicherung für Arbeitssuchende – (SGBII) 1. In § 7 wird folgender Abs. 1a eingefügt:
„(1a) Leistungen erhalten auch behinderte Menschen im Sinne des § 2 Absatz 1 des Neunten Buches, die mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig sind und eine Beschäftigung mit Hilfe des Budget für Arbeit im Sinne des § 17c des Neun-ten Buches zu nichtüblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes aus-üben und die übrigen Voraussetzungen des Absatzes 1 erfüllen. Sie stehen den erwerbsfähigen Personen gleich.“
Gesetz zur Sozialen Teilhabe 14
2. In § 8 wird folgender Absatz 1a eingefügt: „(1a) Erwerbsfähigen gleichgestellt sind behinderte Menschen im des § 2 Absatz 1 des Neunten Buches, deren Leistungsminderung durch ein Budget für Arbeit im Sinne des § 17c des Neunten Buches ausgeglichen werden kann, so dass sie un-ter nichtüblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig sein können.“ 3. In § 11a Abs. 1 wird bei der Ziffer 3. der Punkt durch ein Komma ersetzt und die folgende Ziffer 4. eingefügt: „4. Teilhabegelt nach § 56a des Neunten Buches.“ 4. In § 16 Abs. 1 Satz 3 wird die Angabe „§ 101 Abs. 1, 2 und 5“ nach der Ziffer 2 durch ein Komma und die Ziffer „,2a“ ergänzt. 5. In § 16 Abs. 1 wird der nachfolgende Satz 4 eingefügt und der bisherige Satz 4 zu Satz 5: „Eingliederungsleistungen für Leistungsberechtigte, die erwerbsfähigen behinder-ten Menschen gleichgestellt sind, umfassen auch Leistungen im Rahmen des Budget für Arbeit nach § 17c des Neunten Buches nach §§ 33 Absatz 3 Nummer 2 bis 4 und Abs. 8 Nummer 3, 38a, 40 und 41 des Neunten Buches und Leistun-gen des Arbeitslosengeldes II nach dem Abschnitt 2 des Kapitel 3.“ 6. In § 21 Abs. 4 Satz 1 werden die Worte „Eingliederungshilfen nach § 54 Ab-satz 1 Satz 1 Nummer 1 bis 3 des Zwölften Buches“ durch die Worte „Leistun-gen zur Sozialen Teilhabe nach dem 7. Kapitel in Teil 1 des Neunten Buches“ ersetzt. 7. In § 21 Abs. 4 Wird folgender Satz 3 angefügt: „Der Mehrbedarf wird auch geleistet, wenn Leistungen im Rahmen des Budgets für Arbeit erbracht werden.“ 8. Ziffern 2 und 3 in § 23 werden wie folgt gefasst: „2. Mehrbedarfe nach § 21 Absatz 4 werden auch bei behinderten Menschen, die das 15. Lebensjahr vollendet haben, anerkannt, wenn Leistungen der Sozialen Teilhabe nach den §§ 55 Abs. 2 Nummer 6, 7 und 9 nach dem Siebten Kapitel des Neunten Buches oder entsprechende Leistungen der Eingliederungshilfe nach § 54 des Zwölften Buches erbracht werden; 3. § 21 Absatz 4 Satz 2 gilt auch nach Beendigung der Maßnahmen Teilhabe nach den §§ 55 Abs. 2 Nummer 6, 7 und 9 nach dem Kapitel 7 des Neunten Bu-ches oder entsprechende Leistungen der Eingliederungshilfe nach § 54 des Zwölften Buches;“
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Thema: Re: Gesetz zur Sozialen Teilhabe und zur Änderung des SGB IX (Stand: 4. Mai 2011)
Gesetz zur Sozialen Teilhabe und zur Änderung des SGB IX (Stand: 4. Mai 2011)