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 Das Leben mit Hartz IV: B.Z.-Serie (6)

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BeitragThema: Das Leben mit Hartz IV: B.Z.-Serie (6)   Das Leben mit Hartz IV: B.Z.-Serie (6) Icon_minitimeSa 30 Okt 2010 - 8:30

Das Leben mit Hartz IV: B.Z.-Serie (6)

Sozialsenatorin Carola Bluhm fordert im B.Z.-Interview, Erwerbslosen stärker zu neuer Arbeit zu verhelfen.

Sozialsenatorin Carola Bluhm (Linke) warnt im B.Z.-Interview vor Vorverurteilungen von Hilfeempfängern und fordert mehr in deren Aus- und Weiterbildung zu investieren.

Hartz-IV-Hauptstadt Berlin: In 334.200 Bedarfsgemeinschaften leben rund 600.000 Hilfeempfänger, einschließlich Kinder. So viele wie sonst nirgends in Deutschland (Anteil Berlins an allen Hartz-IV-Empfängern: 16,9 Prozent).

Und dafür muss der Berliner Steuerzahler tief in die Tasche greifen. Im Schnitt zahlt damit jeder versicherungspflichtig Beschäftigte 235 Euro im Monat (rund 8 Euro am Tag), damit Dauer-Arbeitslose mit ihren Familien über die Runden kommen (Berechnungsmodel: siehe unten). Jede Bedarfsgemeinschaft erhält nach Zahlen der Landesarbeitsagentur 876 Euro im Monat, einschließlich Wohn- und Heizkosten.

Kann sich Berlin solche Ausgaben auf Dauer leisten? B.Z. sprach mit Sozialsenatorin Carola Bluhm (47, Linke).

Wie hoch sind die Sozialkosten Berlins insgesamt?

Carola Bluhm: Rechnen wir die Kosten für Hartz IV, für das Wohngeld, für die Hilfen zur Erziehung und andere Sozialausgaben zusammen, muss Berlin bis zum Jahresende rund 3,9 Milliarden Euro aus dem Landeshaushalt zahlen. Steigende Sozialkosten bedeuten aber auch oft mehr Angebote. Allein für die verbesserte Personalausstattung und die zunehmende Beitragsfreiheit der Kitas hat der Senat rund 80 Millionen Euro zusätzlich bewilligt.

Das heißt: Rein rechnerisch zahlt jeder der 1,13 Millionen erwerbstätigen Berliner rund acht Euro am Tag für Hartz IV und zusätzliche Leistungen. Kann sich die Stadt diese Sozialkosten noch leisten?

Oft gibt es einen gesetzlichen Anspruch auf Unterstützung und Hilfe: bei Arbeitslosen, Menschen mit einer Behinderung oder Älteren, deren Rente nicht zum Leben reicht. Oder eben Kindern, die Betreuung und soziale Kontakte brauchen. Das Land muss die Kosten ja auch nicht allein tragen, das Wohngeld zum Beispiel übernimmt der Bund.

Gibt es genügend Sanktionsmöglichkeiten?

Oberstes Ziel muss es sein, Erwerbslosen zu neuer Arbeit zu verhelfen. Es geht nicht um Bestrafung. Die bestehenden Möglichkeiten der stufenweisen Kürzung von Leistungen halte ich für ausreichend.

Wie erklärt sich die steigende Zahl von Hilfeempfängern – obwohl es dank Konjunkturbelebung wieder mehr Jobs gibt?

Die Zahl der Hilfeempfänger ist seit Jahren weitgehend unverändert. Aber es benötigen mehr Menschen Hartz IV, weil ihr Lohn allein nicht reicht. Das können wir nur durch Mindestlöhne stoppen. Wir brauchen mehr Fachkräfte, allerdings passen die geforderten Qualifikationen nicht immer zu dem, was die Arbeitsuchenden mitbringen. Wir müssen also in Aus- und Weiterbildung investieren. Übrigens: Gerade bei Langzeitarbeitslosen nehmen die psychischen Erkrankungen zu, die bis zur Arbeitsunfähigkeit führen.

Wie erklären Sie das?

Seit Jahren werden Hartz-IV-Empfänger vorverurteilt. Es wird eine pauschale Debatte geführt, sie seien faul und arbeitsunwillig. Da sehe ich auch ein Stück gesellschaftlicher Verantwortung.

Warum ist der Berliner Senat gegen die Hartz-IV-Reform der Bundesregierung?

Wir sind nicht gegen eine Erhöhung der Hartz-IV-Sätze. Im Gegenteil: Wir haben sie schon lange gefordert. Nur von einer Neuberechnung des Regelsatzes durch die Bundesregierung im Sinne des Bundesverfassungsgerichts-Urteils kann keine Rede sein. Ich halte fünf Euro für völlig unzureichend. Auch das Verfahren, wie die neue Summe zustande gekommen ist, finde ich nicht transparent. Deswegen stimmen wir diesem Gesetz nicht zu.

So teuer ist Hartz IV für die Berliner

Jede der derzeit 334.200 Bedarfsgemeinschaften erhält im Schnitt 876 Euro im Monat (Quelle: Senatsverwaltung für Soziales und Landesarbeitsagentur).

Abzüglich des Bundeszuschusses fürs Wohnen verbleibt ein Berliner Kostenanteil in Höhe von 794 Euro monatlich. Das bedeutet: Für alle Bedarfsgemeinschaften kommen monatlich 265,4 Millionen Euro an Kosten zusammen. Das macht für jeden der 1,13 Millionen in Berlin gemeldeten Erwerbstätigen eine Summe von durchschnittlich etwa 235 Euro pro Monat – oder 7,83 Euro pro Tag. In den Berechnungen ist auch der kleine Teil jener Erwerbstätigen enthalten, die aufgrund eines zu geringen Einkommens nicht unter die Steuerpflicht fallen.
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